IPSE (1997)

IPSE (1997)

Mahnmal
An die Wand gelehnt, steht eine lebensgroße und nackte Frauenfigur mit gespreizten Armen und Beinen. Für IPSE hat die Künstlerin einen Abdruck ihres eigenen Körpers genommen, um diesen mit blutroter Ackererde aus dem damaligen Jugoslawien 1997 zu modellieren. „Terra rossa“ ist eine besonders tonhaltige und humusarme Erde, deren rote Farbigkeit die schwarze Humuserde aus dem Garten der Künstlerin der frühen Erdarbeiten kontrastiert.

Wie Wunden auf einer menschlichen Haut durchziehen Risse und Furchen den geformten Erdkörper. Die Oberfläche zeigt deutliche Risse, Furchen und Aufplatzungen auf. Wie Wunden eines menschlichen Körpers durchziehen sie den geformten Körper. IPSE wirkt dadurch zerbrechlich und fragil. Durch die Rissbildungen der Erde erinnert das Material an seine ursprüngliche Herkunft als physischer Bodenstoff. Der nachgeformte Körper symbolisiert durch das ausgetrocknete Material kein fruchtbares Leben, sondern Dürre, Trockenheit, ja Zerfall. Die Künstlerin formt aus der „Urmaterie“ Leben, das aber gleich nach der Schöpfung einem Zerfallsprozess unterliegt. Der geformte Mensch wird dem natürlichen Kreislauf des Lebens unterworfen, seine Haut visualisiert durch das Material den beginnenden Verfall. Wie die Künstlerin selbst sagt, hinterlasse die Zeit ihre Spuren auf der Erde und begrenze mit ihrem Ablauf das Leben des Menschen. Das Erdmaterial dient der Künstlerin als Vergegenwärtigung von zeitlicher Vergangenheit. Die Plastik ist gegen die Wand gelehnt, diese schützt und stabilisiert sie gleichermaßen. Ohne diese Begrenzung wäre es IPSE nicht möglich aufrecht zu stehen.

Die frontale Haltung der Figur lässt den Blick auf den gesamten Körper ungeschützt zu. Der Körper wird zur Projektionsfläche und ist der Ansicht durch seinen Betrachter schutzlos ausgeliefert. Gerade das Zurschaustellen, sich derart den Blicken des (männlichen) Betrachters zu öffnen, demonstriert die kritische Sichtweise der Künstlerin auf die Sexualisierung des weiblichen Körpers. Die Figur bricht nicht nur mit gewohnten Blickmustern, sondern wird durch das bewusst gewählte Material und die symbolische Haltung zum Mahnmal von missbrauchten Frauen der Bosnienkriege (1992-1995).


Ich habe mir einen Abdruck von meinem Körper mit in Gipsgetränkte Mullbinden gemacht. Daraus ist ein Ganzkörperabdruck entstanden. Diesen habe ich in meinem Atelier in einem weiteren Prozess mit Bindemittel versetzter Ackererde ausgefüllt. Das Objekt ist somit hohl. An manchen Stellen ist der Körper gerissen, das bildet eine interessante Oberfläche. Nichts ist ebenmäßig, es ist wie eine zweite, geplagte Haut.

ulla schoedel


 

#kreativ.kopf
#mahnmal

 

lebensgroß
rote Ackererde, Bindemittel
Archiv U.S.